Auftritt von drei jungen Para-Dressurreiterinnen vor großer Kulisse
Essen. Überwältigt und glücklich waren drei junge Para-Dressurreiterinnen am Ende eines langen Equitana-Tages: Laura Peters und Daniela Jung waren die beiden Glücklichen, die eine von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) ausgelobte Reitstunde mit Para-Bundestrainer Bernhard Fliegl ergattern konnten. Und Kaderreiterin Gianna Regenbrecht nutzte die Gelegenheit, um sich vor der spannenden Kulisse des Großen Rings mit einem neuen Pferd erstmals der Öffentlichkeit zu zeigen. Gekonnt kommentiert durch Co-Bundestrainer Rolf Grebe geriet der Auftritt des Trios zu einer Werbestunde für den Para-Dressursport.
Eigentlich war das Trio ein Quartett. Denn bevor Gianna Regenbrecht in den Sattel geholfen wurde, saß Gisa Lehmann im Sattel des Oldenburgers Fürst Sinclair. Die stellvertretende Ausbildungsleiterin der Deutschen Reitschule in Warendorf unterstützt Gianna Regenbrecht schon seit sechs Jahren und demonstrierte in Essen unter Anleitung von Bundestrainer Fliegl, wie man ein Pferd für einen Reiter mit Handicap vorbereitet. Am deutlichsten sichtbar wurde dies an der Nutzung zweier Gerten, mit denen die fehlenden Schenkelhilfen kompensiert werden. Denn Gianna Regenbrechts Beine funktionieren seit einem Reitunfall 2014 nicht mehr, die Medizinstudentin ist seither auf einen Rollstuhl angewiesen. Also nutzte auch die Berufsreiterin diese Gerten, um Regenbrechts Pferd an den Einsatz zu gewöhnen. A propos Fürst Sinclair: Während Gianna Regenbrecht übrigens gerade dabei ist, sich im Para-Spitzensport zu etablieren, ist der Rappe dort längst angekommen. Mit seiner Besitzerin Elke Philipp feierte er bereits mehrere Medaillenerfolge bei Paralympics, Welt- und Europameisterschaften. Nun plant Philipp, ihn der Nachwuchsreiterin zur Verfügung zu stellen. „Das ist natürlich eine tolle Sache. Denn auch im Para-Sport sind wir auf solche guten Pferde angewiesen. Denn internationale Konkurrenz ist stark“, erklärte Bundestrainer Bernhard Fliegl. Wenn alles klappt, war die Messe in Essen für Gianna Regenbrecht und Fürst Sinclair eine gute Vorbereitung auf einen ersten internationalen Einsatz beim CPEDI in Waregem.
Die Zügel in nur einer Hand, die andere vor der Brust von einer Schiene gehalten, so stellte Daniela Jung ihr Pony Crown Dundee vor – und das geschickter als mancher beidhändiger Reiter. „Es ist erstaunlich, wie sie geschickt sie trotz ihres Handicaps das Pony am äußern Zügel führen kann und es in ruhiger, konstanter Anlehnung hält“, bestätigte auch Bundestrainer Fliegl der Reiterin. Die 36-Jährige kommt aus der Nähe von Gütersloh. Bis 2018 war sie im Regelsport bis zur Klasse M erfolgreich und stellte auch ihr Pony 2016 vierjährig bei den Bundeschampionaten vor. 2019 wurde dann bei ihr nach einem Sturz ein Cavernom entdeckt, was rechtsseitig eine erhebliche motorische Einschränkung zur Folge hatte. Vor allem die Liebe zu Pferden und Reiterei halfen ihr nach diesem Schicksalsschlag zurück ins Leben. Inzwischen hat die Phyiotherapeutin auch wieder berufliche Pläne und ihr Staatsexamen in Medizin nachholen.
Als eingespieltes Team erwiesen sich auch Laura Peters und ihr etwas zu großes Pony Vermont WE. Die 31-jährige Rheinländerin war ursprünglich im Regelsport bis Klasse M** aktiv und beendete ihre Ausbildung zur Pferdewirtin mit Stensbeck-Auszeichnung, bevor sie sich zur Immobilienkauffrau weiterbildete. 2014 musste sie wegen eines Hirntumors operiert werden und leidet seitdem an epileptischen Anfällen, Ataxie und einer Augenlähmung. Beim Reiten darf sie daher immer leichttraben und einen „Hilfsriemen“ am Sattel verwenden. Ihren „Monti“ kennt sie von Geburt an, er wurde von ihrer Trainerin Sara Tolles geritten, bis L-Niveau ausgebildet und steht auch heute noch auf ihrer Anlage. „Vom Wesen her war er allerdings nicht so optimal geeignet für die Turnierszene, war ziemlich glotzig“, beschreibt ihn Laura Peters. Vor vier Jahren übernahm sie Vermont W zunächst als Reitbeteiligung. Durch das entspannte Arbeiten mit ihr wurde der kleine Schwarzbraune immer ruhiger und ein halbes Jahr später ging er schließlich in Peters Besitz über. „Laura ist total fokussiert und kann dadurch ihre Gleichgewichtsprobleme gut kompensieren. Bei dem Paar spürt man außerdem das riesige Vertrauen“, sagte Fliegl. Ihren größten gemeinsamen Erfolg feierten Peters und „Monti“ mit einem dritten Platz bei den Rheinischen Para-Meisterschaften. Ihre Ziele hat die Reiterin jedoch höher gesteckt. Sie will im nationalen und internationalen Para-Sport Fuß fassen und hofft, vielleicht sogar einmal ein Championat bestreiten zu können.
„Mit den beiden Reiterinnen, die sich für Reitstunde beworben haben, haben wir zwei wunderbare Repräsentantinnen des Para-Sports erlebt. Ihre Geschichten sind herzzerreißend, gerade auch die Tatsache, wie wichtig Pferde und das Reiten dabei waren, sie ins Leben zurückzuholen“, sagte Bernhard Fliegl und ergänzte. „Die Veranstaltung in Essen hat wirklich Spaß gemacht. Wir konnten unseren Sport auch Leuten präsentieren, die vorher noch nie mit dem Para-Reitsport in Berührung gekommen sind. Das habe ich auch später in verschiedenen persönlichen Gesprächen gespürt.“ Seinem Fazit schloss sich auch Co-Trainer Rolf Grebe an. Als Kommentator der Equitana-Reitstunden hatte er den Zuschauern die Reiterinnen vorgestellt und die Besonderheiten des Para-Sports näher gebracht, von der Einteilung der Reiter in unterschiedlich Behinderten-Grades bis hin zu den erlaubten kompensatorischen Hilfsmitteln. „Das war am allerschönsten für mich, dass so viele Leute da waren und sich wirklich interessiert haben.“
Text: Uta Helkenberg
Daniela Jung mit Crown Dundee, Heimtrainerin Michelle de Witt, Co-Bundestrainer Rolf Grebe, Laura Peters mit Monti, Bundestrainer Bernhard Fliegl, Gisa Lehmann und Gianna Regenbrecht mit Fürst Sinclair in der großen EQUITANA-Arena.
Foto: Equitana/Kuczka