Der Leistungsvergleich im Sport ist für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit. Es geht um das Streben nach Erfolg, sich – mit sich und anderen – im Wettbewerb zu messen, Grenzen zu erfahren und zu spüren, dass Training und Anstrengung zu etwas führen kann. Längst ist klar, dass auch Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung Höchstleistungen im Sport erbringen können. Sie haben Interesse daran, sich sportlich weiterzuentwickeln. Der Ehrgeiz und das Potential sind da, einen Leistungsgedanken zu verfolgen. Bestes Beispiel dafür ist der Leistungssport für Dressurreiter mit intellektueller Beeinträchtigung.

Seit 2018 stellt sich das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) der Aufgabe, diesen zu fördern. Ein Projekt wurde vom DKThR ins Leben gerufen und es begann mit einem Sichtungslehrgang für Reiter, die das Sportsystem von Special Olympics durchlaufen und Potential für eine weiterführende Perspektive im Turniersport haben. Mittlerweile hat eine zwar kleine, aber stetig wachsende Gruppe von Reiterinnen und Reitern an der fünften internationalen Video Competition, ausgeschrieben von VIRTUS, teilgenommen. Und das mit sehr gutem Erfolg.

VIRTUS, Para-Equestrian Video Competition – was ist das?
VIRTUS ist der Markenname des Internationalen Verbandes für Sportler mit geistiger Behinderung und Gründungsmitglied des Internationalen Paralympischen Komitees. Von der Gründung 1986 bis 2019 war die Organisation bekannt als INAS (International Sports Federation for Persons with Intellectual Disability). VIRTUS regelt die Teilnahmeberechtigung von Athleten mit einer intellektuellen Beeinträchtigung, den Spitzenwettbewerb und die sportliche Entwicklung. VIRTUS hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung des Spitzensports weltweit für Sportler mit einer intellektuellen Beeinträchtigung voranzutreiben.
Bei der Para-Equestrian Video Competition „Dressur“ werden den Teilnehmern FEI-Prüfungsaufgaben vorgegeben; derzeit die Grade IV Novice Test A sowie die Grade IV Introductory Test B. Die Ritte werden gefilmt und per Video internationalen Richtern in den verschiedenen Ländern vorgelegt. Die Videos werden nach strengen VIRTUS-Vorgaben erstellt. Seit 2017 findet bei VIRTUS der Reitsport in dieser Form statt.

Fünfte VIRTUS Video Competition 2021: Team Deutschland auf Platz 2
An der VIRTUS Video Competition 2021 nahmen 24 Pferd-Reiter-Kombinationen aus sechs Nationen (ESP, FRA, GBR, GER, RUS, USA) teil. Für Deutschland waren Maximilian Abing (Neuenkirchen), Franziska Hidding (Schwerte), Tatjana Raible (Horb), Janine Schwirblat (Münster) und Inka Thun (Kiel) dabei.
Die Wettkämpfe waren in ein Trainingswochenende Ende August in der Westfälischen Reit- und Fahrschule Münster eingebettet. Als bester deutscher Reiter präsentierte sich Maximilian Abing (mit 65,69 Prozent Platz 4 im Grade IV Novice A und mit 67,01 Prozent Platz 3 im Grade IV Introductory B). Zweitbeste Deutsche wurde Franziska Hidding (64,02 und 66,67 Prozent), gefolgt von Tatjana Raible (63,91 und 66,04 Prozent). In der Teamwertung belegte das Trio den zweiten Platz hinter Spanien.

Weitere Teilnehmer gesucht
„Auch die diesjährige Video Competition hat allen Reiterinnen und Reitern viel Spaß gemacht und wertvolle Impulse für die individuelle Weiterentwicklung im Dressursport gegeben“, sagt Uwe Kaplirz zu Sulewicz (Bad Mergentheim), stellvertretender Vorsitzender des DKThR und einer der Leiter des Projekts. „In diesem Jahr haben wir vier Tage für die Vorbereitung und den Wettbewerb angesetzt, was sich sehr positiv auswirkte. Die Teilnehmer ohne eigenes Pferd hatten die Möglichkeit, verschiedene Pferde auszuprobieren, um dann für die Prüfungen ein Pferd zu haben, mit dem sich ein Vertrauensverhältnis entwickeln konnte. Auch für die Betreuer und Trainer war es wichtig, einen erweiterten Zeitrahmen zu haben, um sich fachlich austauschen zu können. So wurde in intensiven Gesprächen nach Möglichkeiten gesucht, wie sich der Teilnehmerkreis (derzeit besteht der Kader aus fünf Reiterinnen und Reitern) vergrößern kann. Wir planen niedrigschwellige Angebote, um noch mehr Aktive zu gewinnen.

Das Trainerteam um die Projektleiter Ulrich Nickel und Uwe Kaplirz zu Sulewicz:
Christa Hinrichsen (Baden Württemberg), Heike Feldmann (Niedersachsen) und Martina Schuchhardt (Nordrhein Westfalen), alle Ausbilderinnen im Reitsport für Menschen mit Behinderung (DKThR), haben bereits jahrelange Erfahrung in der Trainingsarbeit mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und sind sehr engagiert, wenn es um die Inklusion im Reitsport geht. Ihre Meinung: „Mit der Möglichkeit, sich – auf Dauer – auf internationalem Niveau vergleichen zu können, wird den Dressurreitern mit intellektueller Beeinträchtigung eine tolle Perspektive geboten. Für Sportler, die einmalig an den Special Olympics World Games teilgenommen haben, ist die internationale Karriere mit aller Wahrscheinlichkeit damit zu Ende. So sagen es die Nominierungskriterien getreu dem Motto: ‚Jeder soll einmal die Chance haben teilzunehmen‘. VIRTUS bietet eine Unterstützung, um Spitzensport betreiben zu können. Das bedeutet Chancengleichheit und Anerkennung für Sportler mit intellektueller Beeinträchtigung, die das System vom SO bereits durchlaufen haben.“ Weiter berichteten die Trainerinnen: „Unser Wunsch ist, dass zukünftig unterschiedliche Verbände auf nationaler und internationaler Ebene mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit zeigen, um für Reiter mit intellektueller Beeinträchtigung optimale Möglichkeiten zu schaffen. Sinnvoll wäre aus unserer Sicht die Anbindung an den Para-Sport, eventuell mit der Schaffung eines ‚Grade 6‘. Ganz wichtig: wir brauchen mehr Präsenz in der Öffentlichkeit. Wir benötigen Sponsoren! Die Teilnahme an den Video Competitions ist eine finanzielle Herausforderung (Nutzung einer Reitanlage für drei bis vier Tage, Lehrpferde, Boxen für eigene Pferde, Film-Kameraleute mit entsprechender Technik, Unterkunft und Verpflegung). Da kommen für das Team mit Betreuern schnell 5.000 Euro zusammen, die ohne Förderer nicht stemmbar sind. Dabei haben unsere Sportler so viel Potential und möchten sich im internationalen Sport beweisen und vergleichen. Gleichzeitig wird dem Konkurrenzgedanken nicht viel Platz eingeräumt. Stattdessen wird die Ideologie von Special Olympics ‚Zusammen stark‘ aufrechterhalten.“

Wie geht’s weiter?
Geplant ist eine VIRTUS Para-Equestrian Video Competition in Spätsommer 2022. Weitere Talentsichtungsangebote für Reiterinnen und Reiter auf Level B Niveau (Schritt, Trab) von Special Olympics (SO) werden angeboten. „Wir wollen mit dem Projekt keine Konkurrenzsituation zu SO schaffen, sondern ein zusätzliches Angebot für Reiterinnen und Reitern, die sich sportlich weiterentwickeln wollen und bei SO keine weiteren entsprechenden Möglichkeiten für internationale Starts haben. Bei einer Sichtung können Pferde bei Bedarf zum Beispiel ausgebunden werden oder Hilfsmittel eingesetzt werden, die nicht in den offiziellen Statuten vorgesehen sind. Es geht rein um die Beurteilung und Möglichkeiten des reiterlichen Leistungsvermögens“, betont Projektleiter Uwe Kaplirz zu Sulewicz.

Text: Elke Lindner, DKThR

Gesucht: Pferdesportler mit intellektueller Beeinträchtigung, die Interesse am leistungsorientierten Dressurreiten haben.
Ansprechpartner:
Uwe Kaplirz zu Sulewicz, stellvertretender Vorsitzender des DKThR
(Tel. 0 79 31/9 59 25 10, [email protected])
Ulrich Nickel, Vorstandsmitglied des DKThR
(Tel. 0151 46 33 11 65, [email protected])

Max Abing, Foto: Privat

Max Abing mit Trainerin Heike Feldmann (Foto: Privat)

Tatjana Raible, Foto: Privat

Tatjana Raible (Foto: Privat)

Janine Schwirblat, Foto: Privat

Janine Schwirblat (Foto: Privat)

Inka Thun, Foto: privat

Inka Thun (Foto: Privat)

Fanziska Hidding, Foto: privat

Franziska Hidding (Foto: Privat)